Wie können Verantwortliche von Quartieren, Siedlungen oder Genossenschaften mehr in eine aktive Nachbarschaft investieren? Hier folgen sechs Handlungsempfehlungen, welche aufgrund einer wissenschaftlichen Untersuchung in Genossenschaften aufgestellt wurden.
Das Thema einer aktiven Nachbarschaft gewinnt zunehmend an Relevanz. Verschiedene Organisationen und Hochschulen haben sich in den letzten Jahren damit befasst, wie Nachbarschaften eine Identität bilden und das Zusammenleben vor Ort stärken können. So auch die Hochschule Luzern: Im Rahmen des Forschungsprojekts «Nachbarschaften in Genossenschaften» hat sie sich mit Funktionsweisen von Nachbarschaften auseinandergesetzt.
Ziel des Projekts war es, einen Beitrag zur sozialen Nachhaltigkeit in der Siedlungsentwicklung zu leisten. Um dies zu erreichen, hat das Projektteam das Zusammenleben von vier Siedlungen aus Genossenschaften untersucht: «Wohnbaugenossenschaften sind angesichts ihres Selbstverständnisses, ihres Erfahrungswissens und ihrer Mitwirkungsstrukturen prädestiniert, sich mit Nachbarschaftsmodellen auseinanderzusetzen», schreiben die Verfasser:innen der Studie in ihrer Einleitung.
Handlungsempfehlungen der Hochschule Luzern
Aufgrund der Resultate aus den Untersuchungen wurden zum Schluss der Studie Empfehlungen* ausgearbeitet, um sich dem Thema der Nachbarschaft zu widmen. Diese richten sich an verantwortliche Personen von Quartieren, Siedlungen oder Genossenschaften, welche sich für ein aktives Zusammenleben einsetzen möchten. beUnity hat für diesen Artikel sechs der Empfehlungen herausgepickt und mit eigenen Erfahrungen ergänzt.
1. Fokussierung auf das Soziale
Egal ob Genossenschaft, Siedlung oder Quartier: Es ist nicht einfach, die Balance zwischen marktwirtschaftlichen Herausforderungen und sozialen Aufgaben zu finden. In den letzten Jahrzehnten hat gerade bei Wohnbaugenossenschaften eine betriebliche und bauliche Professionalisierung stattgefunden – auch mit Einbezug von digitalen Möglichkeiten. Nun gilt es, den Fokus der Professionalisierung stärker auf das Soziale zu legen, um auch das qualitative Wachstum zu stützen, die Abteilungen Soziales und Kultur zu stärken und entsprechend die Organisationsstrukturen anzupassen.
2. Förderung der Aushandlungskultur und Entwicklung neuer Mitwirkungsstrukturen
Die Gesellschaft hat sich gewandelt und dazu geführt, dass prozessorientierte, partizipative und kooperative Vorgehensweisen zur Lösung gesellschaftlicher Fragestellungen vermehrt an Bedeutung gewinnen. Dies schlägt sich auch im nachbarschaftlichen Alltag nieder. Es besteht der Anspruch auf eine vermehrt demokratische Aushandlungskultur und angepasste Mitwirkungsgefässe, wenn es darum geht, neue Perspektiven baulicher Strukturen oder vielfältiger Formen des Zusammenlebens, des Arbeitens und Wohnens, der Teilhabe und Solidarität zu entwickeln. Die Förderung der Aushandlungskultur und neuer Mitwirkungsstrukturen verlangt nach einem Umdenken in nachbarschaftlichen Gefügen.
3. Unterschiedliche Identifikations- und Kompetenzebenen fördern
Oft identifizieren sich die Bewohnenden nicht mit der ganzen Siedlung, dem ganzen Quartier oder der ganzen Genossenschaft. Damit erfährt die Frage nach unterschiedlichen Formen der Mitgestaltung insbesondere auf kleineren, der Alltagswirklichkeit näher stehenden Ebenen – wie dem Haus oder dem direkten persönlichen Wohnumfeld – eine Wiederbelebung. Ziel soll es sein, diese Ebenen zu identifizieren und den Menschen in diesen Gruppen verschiedene Kompetenzen zu sprechen, welche ein aktives Zusammenleben ermöglichen, was sich schlussendlich auf das ganze Gefüge auswirkt.
4. Neue Formen von Engagement fördern, die ein Zusammenspiel von formalem und informellem Engagement ermöglichen
Die Menschen sind heutzutage weniger bereit, sich formell in fixen Strukturen zu engagieren. Dies zeigt auch die Studie des Gottlieb Duttweiler Institut «Die neuen Freiwilligen». Ziel muss es sein, punktuelle, interessengeleitete, projektbezogene und auch informelle Engagements zu ermöglichen. Gefördert werden kann dieses Ziel, in dem man die Menschen näher zueinander bringt und die Möglichkeit bietet, schnell und einfach nach Hilfe zu suchen. Sei dies zur Reparatur des Rasenmähers oder zur Mithilfe an einem bestimmten Siedlungsfest: Für punktuelle Engagements sind mehr Personen bereit, als man vielleicht zu denken wagt.
5. Schaffung von Möglichkeitsräumen
Unter Möglichkeitsräumen lassen sich vielfältig bespielbare Räume und geeignete Mitwirkungsgefässe verstehen, die das Engagement und die Initiative seitens der Bewohnenden unterstützen und fördern. Dabei handelt es sich sowohl um physische Räume oder formelle Gremien als auch um offene Elemente, die den Bewohner:innen ein gewisses Mass an Gestaltungsfreiheit lassen. Es gilt solche Möglichkeitsräume zu schaffen oder auszubauen, um zu ermöglichen, dass die Nachbarschaft als dynamisches Gebilde von ihren Bewohnenden auf verschiedenen Ebenen mitgestaltet werden kann.
6. Institutionalisierung einer Austauschplattform
Die Menschen, welche sich für ein aktives Zusammenleben einsetzen möchten, artikulieren einen grossen Bedarf nach Austausch und gegenseitigem Lernen voneinander – dies kommt sowohl aus der Studie wie auch aus Gesprächen des beUnity-Teams mit aktuellen Kund:innen zu tragen. Diesem Befund kommt umso mehr Gewicht zu, als dass sich zur Zeit die meisten der interessierten Quartiere, Siedlungen und Genossenschaften in einer Phase der Neuorientierung befinden: sei dies entweder als jüngere, noch im Aufbau begriffene oder als traditionsreiche, sich aufgrund der neuen Herausforderungen im Umbruch befindende Gemeinschaften. Eine Plattform für den Know-How-Transfer wird deshalb sowohl vom Forschungsteam als auch von den beteiligten Praxispartner:innen als durchaus sinnvoll erachtet.
*Aus der Untersuchung der Hochschule Luzern wurden insgesamt 11 Handlungsempfehlungen definiert. Die originalen Empfehlungen sind hier in der Studie nachzulesen.
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